Das Thema Geld hat mich lange begleitet. Ich habe mit 14 Jahren angefangen Geld zu verdienen, dann Wirtschaft & Finanzen studiert und anschließend 14 Jahre im Investment Banking verbracht. Eine intensive und lehrreiche Erfahrung. Die mich definitiv geprägt hat. Über die letzten 3 Jahre habe ich das bewusst hinter mir gelassen, um mich nochmals komplett neu zu (er-) finden. Habe mich neu orientiert. Meine alte Identität abgestreift – gehäutet. Mit dieser alten Haut aber auch viele lehrreiche und Erfahrung erstmal mit in die Tonne geworfen. Heute ist es an der Zeit einmal in diese Tonne zu schauen und zu reflektieren, was ich auch in dieser Zeit gelernt habe.
Dieser Artikel ist unserer Beziehung zum Geld gewidmet. (Weitere Artikel werden folgen.)
Unsere Beziehung zu Geld
Geld im Allgemeinen und Börsentrading im Speziellen habe ich als Brennglas auf die eigene menschliche Psychologie ausgiebig erforscht. Ein Thema, das uns alle betrifft. Denn nahezu alle Menschen auf diesem Planeten sind abhängig von Geld, in unterschiedlicher Art.
Geld ist sehr ungleich verteilt: Gemäß offizieller Statistik besaß Ende 2020 1.1% der Weltbevölkerung 45.8% des weltweiten Vermögen (jeweils mehr als 1m $). Rund 55% der Weltbevölkerung besaßen hingegen lediglich 1.3% des weltweiten Vermögens (jeweils weniger als 10t $). Die inoffizielle Wahrheit sieht vermutlich nochmal anders aus.
Aber in diesem Artikel geht es weder um politisch korrekte Gründe für diese Situation oder um absolute Vermögenswerte, Prozentsätze oder Statistiken sondern letztlich um eine Analyse der zugrunde liegenden Haltung – die relativ ist. Relativ zur eigenen Norm. Denn der eigene Fokus schafft letztlich Realität (-serfahrung).
Grundsätzlich könnte man uns Menschen in 3 Kategorien einsortieren:
1- Von Geld besessen
Die ‘Habenichtse’
Vermutlich der größte Teil der Menschheit. Diese Menschen sind abhängig von Geld in dem Sinne, dass sie keins oder nicht genug haben. Man lebt von der Hand in den Mund und entsprechend dem Diktat der äußeren Umstände. Hier ist der (unbewusste) Lebenssinn tatsächlich das Überleben.
Mögliche Ausprägungen:
- Man glaubt, es ist normal nichts zu haben, das Leben als Überleben. Und ist sich des eigenen Mangels gar nicht bewusst. Entweder weil man sich selbst davon ablenkt oder aus Reaktivität gar keine Zeit zum Nachdenken findet.
- Man würde gerne mehr Geld haben, träumt davon, arbeitet vielleicht sogar mit Affirmationen oder Visualisieren (der berühmte Sticker auf dem Kühlschrank ‘Ich bin es wert’), aber hat letztlich keine Idee bzw. Bildung, wie wirklicher Wohlstand zu erreichen ist.
- Man arbeitet hart – möglicherweise sogar gratis oder unter Wert – und hofft irgendwann wird einen jemand entdecken, retten oder begnadigen.
- Oder man glaubt, Geld sei ‘böse’ oder verdirbt den Charakter und man müsse ihm deshalb widerstehen. Man rebelliert, protestiert oder isoliert sich vom ‘System’. Hier findet man auch Ideen wie ‘wenn sich das (Finanz-)system ändert, dann können wir endlich alle frei und in Wohlstand leben’.
- Man widmet sich der Religion oder Konzepten von Spiritualität und hofft z.B. durch Entsagung und einen ‘reinen’ und ‘korrekten’ Lebensstil Erlösung zu finden.
In allen Fällen innerer Antrieb:
Machtlosigkeit, Wertlosigkeit – Mangel und Angst. Innere Leere, die sich (gemäß dem Prinzip der Resonanz) in äußerer materieller Leere niederschlägt. Denn unbewusst projiziert man die eigene Schöpferkraft auf das Außen und die Umstände. Und gibt ihnen die eigene Kraft, um sich als Opfer der Umstände zu erfahren.
Meine Erfahrung:
In dieser ‘Kategorie’ hab ich selber einiges an Erfahrung gesammelt 🙂 Direkt aber auch indirekt durch meine Frau, die aus Mexiko und komplett anderen Lebensumständen stammt wie ich. (Wobei die Verhältnisse aus denen ich stamme für Deutschland recht einfach waren.)
Die ‘Nimmersatts’
Das ‘eine Prozent’. (Mit Sicherheit sind es mehr, die in dieser Orientierung unterwegs sind. Aber nur wenige die auch ‘erfolgreich’ sind.) Diese Menschen sind abhängig von Geld in dem Sinne, dass sie (unbewusst) glauben, dass in der Anhäufung von Geld oder materiellen Ressourcen der Lebenssinn besteht. Äußere Fülle als Kompensation von innerer Leere. Was dazu führt, dass es nie genug ist obwohl der materielle Wohlstand wächst. Die innere Leere projizierend auf die Karotte vor der Nase: Mehr Geld, mehr Status, mehr Erfahrungen, mehr Wohlstand… Dann ist es genug. So der (Irr-) Glaube. Ein Teufelskreis.
Mögliche Ausprägungen:
- Man befindet sich in der Akkumulationsphase, lernt die ‘Gesetze des Erfolgs’ und wendet sie an. Macht Karriere. Beginnt tatsächlich äußeren Wohlstand zu schaffen, ist fasziniert, hypnotisiert, glaubend dieser sei die Antwort auf die innere Lehre. Euphorie, Naivität aber auch Gier findet man hier.
- Man hat materiellen Wohlstand und finanziellen Reichtum erreicht, aber beginnt zu realisieren, dass die innere Leere nicht verschwindet. Man wünscht sich nichts sehnlicher als Freiheit, sieht aber keine Möglichkeit mehr das zu erreichen. Denn jetzt hat man ja ‘alles’ und ist immer noch nicht frei. Ein lebendiger Alptraum: Desillusion und Abgestumpftheit findet man hier, man tröstet sich mit seinem Status ‘über den anderen’ und teuren Erfahrungen (Saufen, Drogen, Parties, Autos, Urlaub…). So kann man sich vom eigenen Elend ablenken. Man verwaltet seinen ‘Garten’ und verwehrt sich Veränderungen, denn die könnten die eigene Oase gefährden. Folge: Der berühmte ‘Goldene Käfig’.
- Man hat Reichtum geerbt, eingeheiratet oder ohne eigene Kompetenz über Nacht (zu) schnell verdient. Man gehört nun ‘dazu’. Von der Situation überfordert lebt man über den (hohen) Verhältnissen. Damit niemand die eigene Inkompetenz herausfindet oder die wahren Verhältnisse leiht man sich (immer) mehr Geld um den Lebensstil aufrecht zu halten und dazu zu gehören. Und reitet sich immer weiter in die Abhängigkeit. Bis zum finanziellen Ruin.
- Man entdeckt, dass Geld ein Vehikel zur Macht über andere sein kann. Und, dass ‘Macht’ das viel interessantere Spiel ist. Nachdem man ‘Macht’ gewonnen hat, ist das Spiel nun die eigene ‘Macht’ zu erhalten und alle Konkurrenten, die die eigene Macht gefährden könnten, zu beseitigen (Verschwörung, Intrigen, Manipulation usw.). Folge: Die Hierarchie wird – auch durch ‘bessere’ Systeme – weiter institutionalisiert. A la Great Reset oder Technokratie: Problem > Reaktion > Lösung.
- Man redet sich ein Geld sei reine Energie und ein Spiegel der eigenen Fülle. Denn je mehr Geld man hat, desto mehr könne man ja auch anderen Menschen helfen. Theoretisch. Denn schließlich sind die ‘Habenichtse’ ja selber Schuld, denn jeder ist für sich selbst verantwortlich. A la New Age / Esoterik Konzepten.
- Vom Geld verdienen gelangweilt, entdeckt man die Philanthropie und vernetzt sich mit anderen Weltverbesserern. Man feiert sich gegenseitig (und sein Ego) für die vielen guten Ideen und noblen Intentionen, und überschüttet dann andere (die ‘Habenichtse’) ungefragt mit den eigenen Weltrettungsvisionen. A la Burning man, WEF, Sustainable Development Goals, oder New Age Versionen.
Innerer Antrieb auch hier:
Machtlosigkeit, Wertlosigkeit – Mangel und Angst, verkleidet in Gier aber auch Überheblichkeit und Arroganz. Die zugrunde liegende innere Leere, wird hier durch äußere Fülle überkompensiert. Die aber nie genug ist, bzw. immer unter Verlustgefahr steht. Denn auch hier gilt: (Unbewusster) Fokus schafft Realitätserfahrung. Daher muß immer noch mehr getan, verteidigt oder verdient werden.
Persönliche Erfahrung:
Hier habe ich ebenso ausgiebig Erfahrung gesammelt. Vor Allem in den Jahren in der Finanzindustrie. Direkt in dem ich selber dieses Spiel mitgespielt habe, ‘erfolgreich’ war und dann alternativlos im Goldenen Käfig fest steckte. Ein ‘Nimmersatt’ umgeben von ‘Nimmersatts’. Aber auch durch das Beschäftigen mit und ‘Ausprobieren’ von Ideologien aller Art. Ich bin über die Jahre vielen Menschen begegnet und kann sagen, das obige Ausprägungen letztlich unabhängig vom absoluten Vermögen sind. Alles ist relativ zur eigenen Messlatte oder Norm. Man findet euphorische Milliardäre ebenso wie desillusionierte angehende ‘Karrieristen’, oder hypnotisierte Weltverbesserer in jeder Vermögensklasse.
Die ‘Habenichtse’ und die ‘Nimmersatts’ spielen das ‘System’ Spiel miteinander
Die einen projizieren die eigene Machtlosigkeit auf das Außen – das ‘System’, die ‘Elite’, ‘Geld’ usw. und geben Ihren eigenen Willen – unbewusst – damit an diese ab. Auch in dem sie dem System widerstehen. Die anderen kompensieren die eigene empfundene Machtlosigkeit durch die Herrschaft über die anderen oder ‘Geld’. Es geht letztlich nicht um das absolute Niveau, sondern darum relativ besser zu stehen als andere. Dieses Gefälle gilt es dann zu bewahren.
Ein Wechselspiel, das sich gegenseitig bedingt und beide Gruppen aneinander kettet.
2- Geld besitzer
Hier findet man Menschen, die sich tief mit sich selbst beschäftigt haben. Die realisiert haben, dass Geld per se weder gut noch schlecht ist. Sondern erstmal nur eine Projektionsfläche oder ein Verstärker ist. Von dem was sie sind. Von der eigenen Haltung und dem eigenem Selbstverständnis.
Hier wird die Reihenfolge der wesentlichen Fragen korrigiert:
- Wer bin ich?
- Was möchte ich tun?
- Was möchte ich haben?
Diese Menschen haben sich mit ihrem Schatten und der eigenen Dysfunktionalität befriedet indem diese nicht mehr kompensiert wird – z.B. durch mehr tun oder mehr haben oder das Gegenteil davon – sondern einfach gesehen und durchfühlt wird. Und somit eigene Machtlosigkeit oder Wertlosigkeit nicht mehr projiziert sondern neutralisiert wird. Folge: Eine Heil- und Ganzwerdung. Geld verliert die Bedeutung.
Und aus dieser Wahrheit und diesem ganzheitlichen Selbstverständnis um das eigene wahre Wesen aber auch die Verbundenheit mit Allem, wird die eigene einzigartige Bestimmung gelebt. Motiviert nicht um Geld zu verdienen, die Welt zu verändern oder andere zu heilen, sondern als Ausdruck der eigenen Hingabe, Freude, Neugier. Und diese Haltung bewirkt Veränderung. Denn sie orientiert den Fokus vom Außen auf das Innen. In die eigene Ganzheit, die innere Fülle. Und dieser Fokus schafft Realitätserfahrung.
Und das kann selbstverständlich zu materieller Fülle führen. Als Folge nicht als Voraussetzung. Hier beginnt sich dann zu erschließen das Geld tatsächlich ‘nur’ Energieträger ist. Eine Ressource. Und es dieser Ressource, wie jeder anderen, mit Verantwortung und Bewusstheit zu begegnen gilt. Und diese mit dieser Haltung natürlich wunderbaren Wandel bewirken kann.
Persönliche Erfahrung:
Diese Fragen haben mich tief beschäftigt. Und auch bewirkt mich eingehend mit dem Thema Geld auseinanderzusetzen. Nachdem ich lange Zeit ‘besessen’ war, hab ich es dann kategorisch abgelehnt. Und war auch hierdurch immer noch ‘besessen’. Nun habe ich es begonnen wertfrei zu entdecken, als Verstärker der eigenen Haltung. Nicht mehr, nicht weniger. Im Rahmen dieser Neuorientierung begegne ich immer mehr Menschen, die Geld weder ablehnen noch anbeten, tatsächlich in innerer und äußerer Fülle leben und diese mit ihren Mitmenschen teilen. Auch dies wiederum ist nicht abhängig vom absoluten Vermögen.
3- Weder noch
Hier wird es philosophisch 🙂 Alle Kategorien lösen sich auf. Auch Geld verliert jede Bedeutung. Entpuppt sich als Projektionsfläche. Alles ist. Nichts ist. Jeder Besitz erscheint als Illusion. Denn Alles ist eins. Die (absolute) Wahrheit.
Mögliche Ausprägungen:
- Im Matriarchat lebende, (indigene) Völker ohne Privateigentum.
- ‘Erleuchtete’, die keinen Bedarf mehr an Geld oder anderem Besitz haben. Denn es gibt keinen Mangel mehr zu beheben. Nichts mehr zu bewirken. Einzig zu sein.
- Frei zu sein Geld zu haben. Frei zu sein kein Geld zu haben.
Persönliche Erfahrung:
Diese Erkenntnis hat mich sehr verwundert 🙂 Und sie ist für mich absolut wahr. Gleichermaßen ist für mich relativ wahr, dass ich in diesem Moment lebe. Im hier und jetzt bin. Mit meiner persönlichen Geschichte. In einer Gesellschaft mit Geld. Und von hier, kann ich mich dorthin orientieren wo ich wahrhaftig hin möchte.
Mag ein Leben ohne Geld möglich sein? Bestimmt. Ich liebe Gedankenspiele. Allerdings habe ich bisher noch niemanden persönlich kennen gelernt, der frei – im innen und außen – von Geld lebt. D.h. natürlich nicht dass es diese Menschen nicht gibt. Vielleicht lerne ich bald dazu. Dagegen habe ich jede Menge Menschen kennen gelernt, die behaupte(te)n frei zu sein oder Lösungen dafür anbieten frei zu werden. Aber eigentlich (fast) immer motiviert sind von Angst und Mangel. Und sich dann zum Beispiel in Gemeinschaften flüchten oder in irgendeiner Form ab- oder ausgrenzen.
Die einzigen mir bekannten Ausnahmen: Die indischen Weisen Ramana Maharshi und Anandamayi Ma.
Fazit: Eins ist für mich klar – Geld ist Projektionsfläche
Gäbe es kein Geld, würde wir unseren inneren Mangel vermehrt auf andere Dinge projizieren. Und glauben diese anderen äußeren Bedingungen wären nun für unseren Mangel verantwortlich oder würden diesen lösen. Solange sich im Innen nichts ändert, ändert sich auch im Außen nichts. Geld hin oder her. Solange wir nicht erkennen was uns wirklich motiviert und antreibt – Angst oder Liebe – und uns für Liebe entscheiden, werden wir Angst weiter perpetuieren. Und in der Dualität von Armut – Reichtum gefangen bleiben.
Geld hat einen riesigen Stellenwert in unserer Gesellschaft
Daher ist der Umgang hiermit ein großartiger Spiegel auf die eigene Psychologie: Er spiegelt uns in Vergrößerung die inneren Vorgänge. Von Euphorie und Selbstüberschätzung bis hin zu Widerstand, Überlebensangst und Existenznot.
Es ist leicht(er) anderen die Verantwortung und Schuld an der eigenen Situation zu geben, oder sich selbst. Und absolut nachvollziehbar und verständlich wenn dies geschieht. Damit ist nichts falsch. Aber nachhaltige Wandlung kann nur von innen kommen. Und wirkliche Selbstbefähigung kommt aus der Realisierung, dass der Schlüssel nur in sich selbst liegt. Sich mit Geld auseinanderzusetzen kann herausfordernd sein, ist aus eigener Erfahrung aber letztlich auch sehr befähigend und befreiend. Menschen die in Reichtum aufwuchsen oder leben, können unglaublich viel von Menschen lernen, die arm sind: Z.B. Verletzlichkeit & Verbundenheit wieder entdecken und sich von Arroganz und Selbstüberschätzung lösen. Helfen zu können und dürfen ist eine große Bereicherung für beide Seiten.
Aber vor Allem auch umgekehrt. Arme Menschen können durch materiellen Erfolg Entschiedenheit und Durchsetzungkraft lernen und auch den eigenen Wert erschließen und kommunizieren lernen. Oder auch schlicht eigene Ideen und Visionen ungeachtet der Außenbedingungen auch in einer kapitalistischen Welt zum Leben zu bringen und andere hierfür zu begeistern.
Beides (Armut und Reichtum) sind aus meiner Sicht relative Aspekte auf dem gleichen begrenzten Kontinuum (Geld-) Wert. Das beginnt sich zu erschließen wenn man seine Insel (die persönliche Fixierung als ‘arm’, ‘reich’ oder irgendwo dazwischen) verlässt und über den eigenen Tellerrand hinaus schwimmt. Diese Flexibilität ermöglicht die Lösung von begrenzenden Vorstellungen zum Thema Wert.
Und der Abhängigkeit von Geld.
Und dann selbst Freiheit für Geld.
So ich bin gespannt: Was denkst du? Wie stehst du zu Geld?